Kapitel 5 Startup Subventionen
5.1 Überbrückungsgeld
Das Überbrückungsgeld war eine staatliche Subvention die an Existenzgründer gezahlt wurde, die stattdessen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatten. Das Überbrückungsgeld bestand seit 1986 und wurde im Jahr 2006 durch den Gründungszuschuss abgelöst. Die Höhe der Subvention orientierte sich dabei an den Arbeitslosengeldansprüchen, die im Falle keiner Gründung bestehen würden. Das Überbrückungsgeld wurde über einen Zeitraum von 6 Monate gezahlt.
Caliendo & Künn (2011)33 evaluieren die Effektivität des Überbrückungsgeldes anhand eines Propensity Score Matching Ansatzes. Dabei wird versucht den Effekt des Überbrückungsgeldes zu schätzen, indem Bezieher von Überbrückungsgeld möglichst ähnlichen Personen zugeordnet werden, die kein Überbrückungsgeld erhalten. Unterschiede in Bezug auf relevante Outcomes wie Beschäftigung oder Einkommen lassen sich dann auf das Überbrückungsgeld zurückführen. Caliendo & Künn (2011) zeigen, dass das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen, das Gründer 56 Monate nach der Gründung erzielen, 618 Euro über dem von zugeordneten Personen liegt. Die Autoren machen keine Aussage über den zeitlichen Verlauf der Einkommensänderung. Zur Berechnung des MVPFs wird die vorsichtige Annahme getroffen, dass der positive Effekt auf das Einkommen nach 2 Jahren einsetzt und über 4 Jahre bestehen bleibt. Um die Auswirkung der Zunahme des Nettoeinkommens auf das öffentliche Budget zu berechnen wird eine Simulation des deutschen Steuer- und Transfersystems verwendet. Neben der Einkommenssteuer werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Steuer interpretiert. Unter diesen Annahmen betragen die mit einer Diskontrate von 3% diskontierten Barwerte der Nettoeinkommensänderung und der Zunahme des Steueraufkommens 25.590,67€ und 15.998,03€ je Überbrückungsgeldbezieher. Die Steigerung des Nettoeinkommens um 25.590,67€ entspricht der Zahlungsbereitschaft für das Überbrückungsgeld. Die Zahlung der Subvention an sich ist nicht Teil der Zahlungsbereitschaft, da die Gründer einen ähnlichen Betrag im Falle von Arbeitslosigkeit erhalten würden. Die fiskalischen Kosten des Staates setzen sich aus der Zahlung des Überbrückungsgeldes abzüglich des gesteigerten Steueraufkommens zusammen. Caliendo & Künn (2011) geben eine durchschnittliche Höhe des Überbrückungsgeldes von 2056€ pro Monat an. Die fiskalischen Nettokosten betragen daher 2056€ ✕ 6 - 15.998,03€ = -3.662,03€.
Die Zahlung des Überbrückungsgeldes ist somit selbstfinanzierend. Die Ausgaben für das Überbrückungsgeld werden durch erhöhtes Steueraufkommen aufgrund höhere Einkommen überkompensiert. Der MVPF ist aufgrund der positiven Zahlungsbereitschaft unendlich.
5.2 Existenzgründungszuschuss
Der Existenzgründungszuschuss war eine staatliche Subvention die an Existenzgründer gezahlt wurde, die zum Zeitpunkt der Unternehmensgründung Arbeitslosengeld bezogen. Zweck der Subvention war es, die ersten Jahre der Unternehmensgründung zu fördern. Die maximale Bezugsdauer des Existenzgründungszuschusses betrug 3 Jahre. Die Höhe der Förderung war festgelegt auf 600€ pro Monat im ersten Jahr, 360€ pro Monat im zweiten Jahr und 240€ pro Monat im dritten Jahr. Zum Erhalt der Subvention durfte das aus der Selbstständigkeit resultierende Einkommen 25,000€ nicht übersteigen.
Caliendo & Künn (2011)34 evaluieren die Effektivität des Existenzgründungszuschusses anhand eines Propensity Score Matching Ansatzes. Dabei wird versucht den Effekt des Existenzgründungszuschusses zu schätzen, indem Bezieher des Existenzgründungszuschusses möglichst ähnlichen Personen zugeordnet werden, die keine Förderung erhalten. Unterschiede in Bezug auf relevante Outcomes wie Beschäftigung oder Einkommen lassen sich dann auf den Existenzgründungszuschuss zurückführen. Caliendo & Künn (2011) zeigen, dass im Durchschnitt Bezieher des Existenzgründungszuschusses 435 Euro mehr netto zur Verfügung haben als zugeordneten Personen die nicht gefördert werden. Die Autoren machen keine Aussage über den zeitlichen Verlauf der Einkommensänderung. Zur Berechnung des MVPFs wird die vorsichtige Annahme getroffen, dass der positive Effekt auf das Einkommen nach 2 Jahren einsetzt und über 4 Jahre konstant bleibt. Um die Auswirkung der Zunahme des Nettoeinkommens auf das öffentliche Budget zu berechnen wird eine Simulation des deutschen Steuer- und Transfersystems verwendet. Neben der Einkommenssteuer werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Steuer interpretiert. Unter diesen Annahmen betragen die mit einer Diskontrate von 3% diskontierten Barwerte der Nettoeinkommensänderung und der Zunahme des Steueraufkommens 18.472,83€ und 9.495,38€ . Die Steigerung des Nettoeinkommens um 18.472,83€ entspricht der Zahlungsbereitschaft für den Existenzgründungszuschuss. Die Zahlung der Subvention an sich wird nicht als Teil der Zahlungsbereitschaft interpretiert, weil für einige der Bezieher des Existenzgründungszuschusses die Zahlung der Subvention ausschlaggebend für die Gründung ist. Für diese Personen ist die Zahlungsbereitschaft kleiner als die erhaltene Subvention; sonst würde die Unternehmensgründung auch ohne die Subvention stattfinden. Da nicht klar ist, für welchen Anteil der Geförderten dies zutreffend ist, wird vereinfachend angenommen, dass die Zahlungsbereitschaft für die Subvention null ist. Der MVPF wird dadurch tendenziell unterschätzt.
Die fiskalischen Kosten des Staates setzen sich aus der Zahlung des Existenzgründungszuschusses abzüglich des gesteigerten Steueraufkommens zusammen. Es wird angenommen, dass der Zuschuss über die maximale Bezugsdauer ausgezahlt wird. Die Summe der Auszahlung des Existenzgründungszuschuss (600€ pro Monat im ersten Jahr, 360€ pro Monat im zweiten Jahr und 240 pro Monat im dritten Jahr) abgezinst mit einer Diskontrate von 3% beträgt 14.108,85 € . Nach Abzug des positiven Effekts auf das Steueraufkommen ergeben sich Nettokosten in Höhe von 14.108,85 € - 9.495,38€ = 4.613,47€.
Der MVPF beträgt 18.472,83 / 4.613,47 = 4. Der Existenzgründungszuschuss ist im Gegensatz zum Überbrückungsgeld nicht selbstfinanzierend. Dennoch wird ein erheblicher Teil der Ausgaben für die Förderung durch gesteigerte Steuereinnahmen aufgrund höherer Einkommen kompensiert.
5.3 Gründungszuschuss
Der Gründungszuschuss löste im Jahr 2006 die beiden bisherigen staatlichen Förderleistungen zur Unterstützung von selbstständiger Tätigkeit, den Existenzgründungszuschuss und das Überbrückungsgeld, ab. Dabei wurde die Struktur der Subvention grundlegend überarbeitet. Unter dem bisherigen System konnte entweder das Überbrückungsgeld, welches einer Zahlung der individuellen Arbeitslosengeldansprüche für die ersten 6 Monaten der selbstständigen Beschäftigung entspricht, oder der Existenzgründungszuschuss beantragt werden. Der Existenzgründungszuschuss zahlte einen fixen und jährlichen abnehmenden Betrag jeden Monat (600€ pro Monat im ersten Jahr, 360€ pro Monat im zweiten Jahr und 240€ pro Monat im dritten Jahr). Das neue System besteht im Kern aus dem bisherigen Überbrückungsgeld für die ersten sechs Monate der selbstständigen Tätigkeit und einer fixen Zahlung in Höhe von 300€, die für bis zu 15 Monate gezahlt wird. Die Zahlung der zusätzlichen 300 Euro ab dem siebten Monat ist nicht garantiert, sondern liegt im Ermessen der Arbeitsagentur.
Caliendo et al. (2016)35 evaluieren die Effektivität des Gründungszuschusses anhand eines Propensity Score Matching Ansatzes. Dabei wird versucht den Effekt des Gründungszuschusses zu schätzen, indem Bezieher des Gründungszuschusses möglichst ähnlichen Personen zugeordnet werden, die keine Förderung erhalten. Unterschiede zwischen zugeordneten Personen in Bezug auf relevante Variablen wie Beschäftigung oder Einkommen lassen sich dann als der Effekt des Gründungszuschusses interpretieren. Die Resultate von Caliendo et al. (2016) zeigen, dass 40 Monate nach Beginn der Förderung das monatliche Nettoeinkommen von Frauen, die den Gründungszuschuss erhalten 608,57€ über dem Nettoeinkommen zugeordneter Frauen, die keine Förderung erhalten liegt. Bei Männern ist das durchschnittliche Nettoeinkommen durch den Erhalt des Gründungszuschusses um 736,64€ gesteigert. In den Daten von Caliendo et al. (2016) liegt der Anteil der Männer, der durch den Gründungszuschuss geförderten Personen bei 62,3%. Der durchschnittliche Effekt auf das monatliche Nettoeinkommen beträgt demzufolge 0,623 ✕ 736.64€ + (1 - 0.623) ✕ 608,57€ = 688,37€. Zur Berechnung des MVPFs wird die vorsichtige Annahme getroffen, dass der gemessene Effekt auf das Einkommen nach 2 Jahren einsetzt und über 4 Jahre bestehen bleibt. Dies entspricht der Annahme, die in der Berechnung der MVPFs des Existenzgründungszuschusses und des Überbrückungsgeldes gemacht wird. Um die Auswirkung der Zunahme des Nettoeinkommens auf das öffentliche Budget zu berechnen wird eine Simulation des deutschen Steuer- und Transfersystems verwendet. Neben der Einkommenssteuer werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Steuer betrachtet. Unter diesen Annahmen betragen die mit einer Diskontrate von 3% diskontierten Barwerte der Nettoeinkommensänderung und der Zunahme des Steueraufkommens jeweils 28.909,5€ und 19.197,03€. Die Steigerung des Nettoeinkommens um 28.909,5€ entspricht der Zahlungsbereitschaft für das Überbrückungsgeld. Die Zahlung der Subvention an sich ist aus zwei Gründen nicht Teil der Zahlungsbereitschaft. Erstens würden die Gründer den Großteil der Zahlungen auch erhalten, wenn sie sich gegen die Unternehmensgründung entscheiden würden, und stattdessen Arbeitslosengeld beziehen würden. Zweitens ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen die selbstständige Beschäftigung eine direkte Folge des Gründungszuschusses ist. Personen, die sich aufgrund des Gründungszuschusses selbstständig machen, erhalten einen Nutzen der kleiner ist als die Subvention. Sonst würde die Unternehmensgründung auch ohne die Subvention stattfinden.
Zur Berechnung der Nettokosten der Reform ist neben dem bereits erwähnten Effekt auf das Steueraufkommen (19.197,03€) auch die Höhe der Subvention relevant. Es wird angenommen, dass die maximale Bezugsdauer ausgeschöpft wird. In den ersten sechs Monaten der Förderung erhalten Existenzgründer jeweils eine Fortzahlung ihrer letzten Arbeitslosengeldzahlungen. In den Daten von Caliendo et al. (2016) beträgt die durchschnittliche Arbeitslosengeldzahlung vor der Förderung 803€ für Frauen und 1093€ für Männer. Dazu kommt eine monatliche Zahlung von 300€ über 15 Monate. Es resultiert eine durchschnittliche Förderleistung von 10.375,96€. Nach Abzug des positiven Effekts auf das Steueraufkommen ergeben sich Nettokosten in Höhe von 10.375,96€ - 19.197,03€ = -8.821,06€.
Die Bereitstellung des Gründungszuschusses verursacht somit netto keine Kosten; es wird stattdessen zusätzliches Steueraufkommen generiert, denn die Ausgaben für den Gründungszuschuss werden durch erhöhtes Steueraufkommen in Folge gesteigerte Nettoeinkommen überkompensiert. Aufgrund der positiven Zahlungsbereitschaft ist der mit Gründungszuschuss assoziierte MVPF unendlich.